60 Jahre und leider noch kein bisschen überflüssig

Die Senator-Kirch-Stiftung in Hamburg-Altona

Um den Jahreswechsel 1953/1954 erhielt die Stadt Hamburg als Rechtsnachfolgerin der 1938 dorthin eingemeindeten Stadt Altona eine Zuwendung in Höhe von 26.312,33 DM. Diesen Betrag hatte Amanda Doering, eine in die USA ausgewanderte ehemalige Altonaerin, Hamburg testamentarisch vermacht – mit der Bestimmung, ihn „für bedürftige Kinder und alte Leute in Altona“ zu verwenden.

 

Am 24. April 1954 trat die Satzung der „Senator-Kirch-Stiftung in Hamburg-Altona“ (zur Person des Namensgebers siehe unten) in Kraft, und seither setzt diese gemeinnützige Stiftung den Wunsch der Spenderin in die Praxis um. Dazu vergibt der Stiftungsvorstand alljährlich zu Weihnachten einmalige Sach- oder zweckgebundene Geldzuwendungen an bedürftige Menschen, die ihren Wohnsitz im heutigen Bezirk Altona haben. Vorschläge für zu Begünstigende kommen von Vereinen und öffentlichen Trägern sozialer Einrichtungen, aber auch von Privatpersonen; der Stiftungsvorstand überprüft die Vorschläge sowohl hinsichtlich der sozialen Verhältnisse der Empfänger als auch darauf, inwieweit der Verwendungszweck sachlich sinnvoll und angemessen ist. Gelegentlich hilft die Stiftung auch als „Türöffner“ bei zuständigen Stellen. Dabei steht immer das Anliegen der Initiatorin Amanda Doering im Vordergrund, Menschen in schwierigen Lebensumständen eine unerwartete Freude zu bereiten.

 

Entsprechend der gesellschaftlichen Entwicklung seit den 1950er Jahren werden im 21. Jahrhundert Kinder, Jugendliche und Heranwachsende (bis 21) sowie Ältere (ab 60) bedacht. Das Stiftungskapital ist mündelsicher angelegt und durch Zustiftungen bis Ende 2012 auf gut 162.000 Euro angewachsen.  Aus den Zinserträgen können somit jährlich etwa 5.000 Euro an bedürftige Altonaerinnen und Altonaer vergeben werden; zuletzt wurden gut 60 – überwiegend jüngere – Menschen bedacht. Damit können wir keines der strukturellen Armutsprobleme lösen – aber 60 Menschen haben sich beispielsweise über einen dringend benötigten Wintermantel, eine Jahreskarte für das Schwimmbad, ein Kinderrad oder eine Spielesammlung gefreut.

Wer war August Kirch?

August Kirch – immer die Menschen im Blick

Der 1879 in Ottensen-Neumühlen geborene August Kirch war von 1918 bis 1933 Senator der selbständigen Stadt Altona/Elbe und von 1945 bis 1954 Orts- bzw. Bezirksamtsleiter des Hamburger Bezirks Altona.

 

Der Sozialdemokrat, der einer kinderreichen Zigarrenarbeiterfamilie entstammte, hatte bereits vor dem Ersten Weltkrieg vielfältige Funktionen innerhalb der Organisationen der Arbeiterbewegung ausgeübt. 1913 wurde August Kirch in das Stadtverordnetenkollegium (Altonas Stadtrat) gewählt. In der Weimarer Republik hat er als für Kultur und Bildung zuständiger Senator in den Magistraten unter Bernhard Schnackenburg und Max Brauer insbesondere den Ausbau der Arbeiterbildung und ein breites Bühnenangebot in der 1928 rund 230.000 Einwohner zählenden Industriestadt Altona vorangetrieben.

 

Daneben betätigte Kirch sich in einer Reihe von sozialen und Ehrenämtern, so im Vorstand des Altonaer Kinderkrankenhauses und im Kulturbeirat der NORAG, des NDR-Vorläufers.

 

Aufgrund einer schon länger andauernden Kampagne in der NSDAP-Parteizeitung Hamburger Tageblatt wurde er am 1. März 1933 seines Amtes enthoben und bald danach zu anderthalb Jahren Zuchthaus verurteilt. Nach seiner Haftentlassung arbeitete er in einer Ottensener Kohlenhandlung. Im August 1944 – vermutlich im Zusammenhang mit den massenhaften Festnahmen nach dem Attentat auf Hitler vom 20. Juli – wurde er noch einmal für 14 Tage inhaftiert. Dennoch behielt August Kirch seinen Lebensmittelpunkt während des Dritten Reiches immer in seiner Heimatstadt Altona.

 

1945, nach der Befreiung Deutschlands, setzte ihn die britische Besatzungsmacht dort als Ortsamtsleiter ein, eine Tätigkeit, die er ab 1949/1950 bis 1954 unter dem Titel Bezirksamtsleiter fortführte. Schwerpunkt seiner Verwaltungstätigkeit wurde der Wiederaufbau der stark kriegszerstörten Stadt, insbesondere der Altonaer Altstadt, in der 60 % des Wohnungsbestandes den Bomben zum Opfer gefallen waren. In dieser Zeit engagierte Kirch sich auch weiter im kulturellen Bereich, beispielsweise als Leiter des hamburgischen Volkskulturbundes. Er ließ es sich auch nicht nehmen, von 1954 bis zu seinem Tod persönlich im Vorstand der Senator-Kirch-Stiftung mitzuwirken.

 

Im November 1959, wenige Tage vor seinem 80. Geburtstag, ist August Kirch gestorben; er wurde auf dem Hauptfriedhof am Volkspark beigesetzt. 1974 wurde eine Straße in Hamburg-Bahrenfeld nach ihm benannt.

 

 

Hinweis:

 

Eine ausführlichere Biographie August Kirchs, verfasst von Olaf Wuttke, finden Sie hier. 

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A/JA-L

Platz der Republik

22765 Hamburg